Unglück im Glück (Brave New World)



Hallo,

Ihr greift mir mit euren Themen so sehr nach dem Großen Ganzen, das ist mir zu groß Augenzwinkern Hier was kleines:

Habe das Buch Schöne neue Welt gelesen (Aldous Huxley, engl: Brave new World). Am Ende bringt sich der Wilde um, weil er nicht in Ruhe in Entsagung leben konnte, sondern selbst da dem Glück seiner Mitmenschen "diente".

Mir stellte sich da folgendes philosopschies Problem:
Zitat:
Kann ein Mensch in selbstgewähltem Unglück leben, wenn um ihn herum alles glücklich ist?
Bevor es Missverständnisse gibt: Ich verwende hier die Definition von Glück wie sie Aldous Huxley in benanntem Buch getroffen hat.

Ich würde darüber gerne mit jemandem diskutieren.

Jan
hmm...Kopf kratz könntest du vielleicht für alle, die das buch nich gelesen haben, die dort genannte definition von "glück" beschreiben?!

sonst schränkt sich die menge an diskussionsteilnehmer wahrscheinlich sehr ein...
Mhm sehr trügerisch deine Definition von Glück=)
Das Glück von Huxley ist nicht mehr als die Betäubung der Sinne, und die damit verbundene Zufriedenheit, also eine gewisse ignoranz. Jenes Bild widerspricht meiner Sichtweise als ein Mensch der Aufklärung. Sprich ich kann mich vom Leid nicht abwenden, aber ich kann ihnen auch nicht so richtig helfen, jeder muss seinen eigenen Weg finden. Somit müsste ich die anderen Menschen aus ihrem "Glück" entreissen, und sie aufklären. Das kann ich aber nicht tun, weil ich mir nicht anmasse zu bestimmen was richtig für andere ist. Ergo würde ich selbst nicht so leben wie andere(also in huxleys Welt), aber ich würde ihnen auch nicht helfen. Wohl aber behaupten, dass ihr Glück nicht real sein könne. Und ich würde aus meinem Leben kein Schauspiel machen und einen auf Eremit veranstalten. Wer in Entsagung leben will, der kann das überall ohne aufzufallen

Hoffe geholfen zu haben=)
Erstmal fürs Babelfischerl:

Glück in Huxleys schöner Neuer Welt ist die Befriedigung sämtlicher Bedürfnisse. Enweder durch Erfüllung des Bedürfnisses, sobald oder gar bevor es auftritt. Oder durch Aberziehung des Bedürfnisses im Reifeprozess (beginnend bei der Zeugung).

Nochmal anders gefragt. Kann ein Mensch in einer Gesellschaft, die sämtliche existierenden Bedürfnisse kontrolliert und befriedigt im selbstgewählten Unglück leben, also sich selbst Dinge entsagen? (Wie uneingeschränkte Nahrung, warme Klamotten, wettersichere Hütte, Luxus anderer Art)

Über bishop muss ich mal kurz nachdenken, das ist ja arg kompakt.

Jan

/edit:
Zitat:
Original von bishop
Wer in Entsagung leben will, der kann das überall ohne aufzufallen

Mit dem erstgesagten, nicht zitierten, stimme ich überein, aber das war nicht mein Problem. Die von dir aufgestellte Behauptung war ja genau mein Zweifel. Huxley jedenfalls behauptet es ginge nicht und führt es extrem vor. Ich überlege, ob es nicht doch möglich wäre, oder ob es früher oder später in einer ähnlichen "Katastrophe" (Ich bezeichne den Selbstmord mal als Katastrophe im seelischen Sinne) enden muss.

Jan

uups, Doppelpost, sorry, lieber Mod?

jaja, schon passiert! Augenzwinkern babelfish
wüsste nicht wo ich hier wen zitiert habe^^

Es käme wie gesagt auf den Menschen an, seine Sichtweisen und Einstellungen. Dass er nicht glücklich nach Huxley ist, schliesst ja nicht aus, dass er nicht glücklich nach einer eigenen Definition ist. Aber ich denke, dass er als störendes Element früher oder später auffallen und ausgeschlossen werden würde. Eine solche Gesellschaft, wie sie hier beschrieben wird ist sehr angreifbar weil sie nichts Unbekanntes verträgt. Wenn die anerzogenen Maxime auf einmal nicht mehr greifen endet alles in einer Katastrophe. Deswegen schützte sich die Gesellschaft selbst indem sie nicht den Rest der Welt an ihren Glück teilhaben lies, sondern sich vom Rest abkapselte.
Zitat:
Original von bishop
wüsste nicht wo ich hier wen zitiert habe^^
Ich habe Dich zitiert Augenzwinkern bzw. halt nicht alles Augenzwinkern

Um genau zu sein, hat sie ihn nicht ausgeschlossen, sondern vielmehr ist er vor ihr davon gerannt und sie hat sich ihn gegen seinen Willen wieder einverleibt (Fühlfilm). Anscheinend ist diese Gesellschaft so stabil in ihrem Glück, dass sie nicht einmal in der Lage ist, Unglück wahrzunehmen. Anscheinend hat sie damit einen Weg gefunden Unglück unmöglich zu machen, indem sie verlernt hat Unglück wahrzunehmen.

Was aber passiert, wenn man das immer wieder macht, färbt das irgendwann ab, oder wird die Gesellschaft das einfach ignorieren?

Jan
Zitat:
Original von kurellajunior
Erstmal fürs Babelfischerl:

Glück in Huxleys schöner Neuer Welt ist die Befriedigung sämtlicher Bedürfnisse. Enweder durch Erfüllung des Bedürfnisses, sobald oder gar bevor es auftritt. Oder durch Aberziehung des Bedürfnisses im Reifeprozess (beginnend bei der Zeugung).

Nochmal anders gefragt. Kann ein Mensch in einer Gesellschaft, die sämtliche existierenden Bedürfnisse kontrolliert und befriedigt im selbstgewählten Unglück leben, also sich selbst Dinge entsagen? (Wie uneingeschränkte Nahrung, warme Klamotten, wettersichere Hütte, Luxus anderer Art)


danke! Augenzwinkern

hmm... versteh ich das jetzt richtig? man ist glücklich, wenn all seine bedürfnisse gestillt sind, man also kein verlangen nach irgendetwas mehr verspürt.
sind damit jetzt nur materielle bedürfnisse gemeint? (essen, kleidung, dach überm kopf...) oder schon noch mehr?
nya von einverleiben kann da nicht so richtig die Rede sein, er war nunmal eine Attraktion, und für die Leute ungefährlich weil er vor ihnen Angst hatte und sie nicht von ihm. Hätte er etwas mehr Selbstbewusstsein an den Tag gelegt, dann hätten wir eine Renaissance mit einem Messias, der die Leute entweder "rettet" oder ins Verderben stürtzt.

Denke mal daran, was aus der Mutter von dem Wilden wurde, als sie ein Kind gebar, als sie gegen einen anerzogenen Komplex verstiess! Denk daran, wie Epsilons auf ungewohnte Umstände reagieren, sei es das Sonnenlicht beim Liftboy oder die ungewöhnliche Kleinwüchsigkeit von Sigmund (so hiess er glaub ich in der deutschen Übersetzung) Alle Abnormitäten werden mit Angst und Abneigung angenommen, und der Wilde hatte das Potential einer Atombombe, wenn er sich nicht so vor den Menschen verschrecken liesse. Es ist wie im Zoo. Du hast keine Angst vor einem Löwen im Käfig. Aber stell dir vor du würdest einen tête á tête treffen, und wüsstest, dass er dich mit einem Prankenhieb zerschmettern kann. Hast du Angst?
Zitat:
Original von babelfish
hmm... versteh ich das jetzt richtig? man ist glücklich, wenn all seine bedürfnisse gestillt sind, man also kein verlangen nach irgendetwas mehr verspürt.
sind damit jetzt nur materielle bedürfnisse gemeint? (essen, kleidung, dach überm kopf...) oder schon noch mehr?

Alle Bedürfnisse sind gemeint, aber ansonsten richtig scheints richtig angekommen zu sein.

Das mit dem Selbstbewusstsein find ich sehr mutig. Dieser Wilde ist in einer für ihn befremdenden Umgebung aufgewachsen, weil er von ihr ausgeschlossen wurde. Als er die Möglichkeit hat aufgenommen zu werden und es sich wohlgehen zu lassen, hat er die Kraft dem entgegenzutreten, wohlgemerkt allen anderen Menschen und sein Stifel durchzuziehen.
Das ist meiner Meinung nach Selbstbewusst.

Interessant ist die Reaktion der Gesellschaft: sie macht ihn, der weg will zu ihrem Spielzeug, ja wie im Zoo, aber ohne Gitterstäbe. Sie wollen ihn integrieren, an dem was er erlebt teilhaben, sie können nicht sehen, dass sein Bedürfnis ist Bedürfnisse zu haben.

Interessanter Gedanke, der mir da gekommen ist. Kommt es zu Katastrophe weil der wilde auf ein gesellschaftliches Paradoxon stößt? Er hat das Bedürfnis andere Bedürfnisse außer diesem zu haben. So paradox ist das gar nciht mmh Kopf kratz

Jan
du vergisst, dass das Glück für den Wilden etwas anderes ist, als für diese Menschen. Deswegen konnte er es sich nicht gutgehen lassen, weil er nicht glücklich wäre. Natürlich hätte er sein Leben in Luxus fristen können, aber glücklich zu sein ist etwas anderes, es ist wie in der Tierwelt. Wenn du einem Tier ein Bewusstsein unterstellst es einsperrst und mit allem Luxus zuschüttest, glaubst du es wird glücklich sein?

Mit diesem "Paradoxon" kommst du nicht weit, weil die anderen Leute auch Bedürfnisse haben, diese aber wenige weit reichen, da die "negativen" ihnen aberzogen wurden. Das Problem des Wilden war es, dass er an "unzeitgemässen" Vorstellungen festhielt, wie der Polygamie, die dort verbreitet und normal war. Er hatte Bedürfnisse, die ihm die Menschen nicht geben konnten, deswegen fing er an sie "aufzuklären" sie z.B zu fragen was sie von Liebe halten. Als er auf Unverständis und Abneigung stiess, flüchtete er
Also erstmal vergess ich das nicht. Ich wollte aber nicht zwei Glücksbegriffe mischen. deswegen wählte ich dei Formulierung "selbstgewähltes Unglück"

Das mit dem Paradoxon war nicht zielführend, ist nur beim Schreiben entstanden...

Trotzdem ist noch offen, ob es theoretisch möglich wäre, das der Wilde ein solch unglückliches Leben leben könnte, oder ob es ihm von der Gesellschaft immer auf die eine oder andere Weise verwehrt würde?
vllt könnte er, aber er will das ja allem Anschein nach nicht. Die Gesellschaft würde ihn aber auch nicht als vollwertiges Mitglied akzeptieren. Die Gesellschaft ist ja streng hierarchisch strukturiert, jeder hat seinen anerzogenen Platz, nur der Wilde hat diesen nicht. Und das ist ein Strukturrisiko. Ergo hat die Gesellschaft auch keine Macht über ihn, ausser ihn zu entfernen, denn innerhalb der Gesellschaft braucht es ja keine Gewalt
Moment, er will schon ein unglückliches Leben führen schließlich zieh er aufs Land und versucht unter Mühe und Schweiß zu überleben. Also er will schon.

Das die Gesellschaft nicht in ihrer Mitte aufnehmen würde ist klar, er ist mehr Anschauungsobjekt als Gesellschaftsmitglied, daher, da stimme ich Dir zu, zieht er sich zurück. Aber das wird ihm nicht vergönnt. So wie es beschrieben ist geht es nicht. Gäbe es eine Möglichkeit für ihn so zu leben wie er es möchte? Wohlgemerkt die Möglcihkeit der einsamen Insel wie sie Sigmund und seinem Freund angeboten wurden hatte er nicht. Er musste zwangsweise auf Tuchfühlung mit der Gesellschaft bleiben. Hatte er da überhaupt eine Chance? Ich seh keine und das ist es was mich irritiert.
ich depp hab
Zitat:
ob es theoretisch möglich wäre, das der Wilde ein solch glückliches Leben
gelesen, insofern musst du meine Aussage bissl umdenken^^

nee, dann hätte es wohl nicht geklappt. Wenn es seine Wahl war sich zurückzuziehen, aber doch im Einflussbereich der Gesellschaft zu bleiben, hat es ja nur schiefgehen können. Deswegen meine ich doch, dass er ein äusserlich "normales" Leben führen sollte, und nicht so einen Zirkus veranstalten sollte, wenn er wirklich nichts mit alldem zu tun haben wollte. Du musst dir doch nur die heutige Gesellschaft ansehen. Es gibt tausende Veganer, Altruisten und ähnliches Gesocksgroßes Grinsen die unter uns leben. Sie leben anders als die Masse und machen auch keinen Hehl draus, wenn sie gefragt werden. Aber zieh dir mal eine Kutte an, geh auf eine einsame Insel und mach einen auf Eremit. Innerhalb der nächsten zehn Minuten wirst du von der Bildzeitung interviewt und weltbekannt-.-
Also gewollt hat er nicht bleiben, er musste. Vom WAR verordnet.

Und zu Anfang hat er ja versucht, in der Gesellschaft mit seinen Vorstellungen zu leben, ist aber ständig angeeckt (und zwar heftig). Er musste also versuchen Abstand zu kriegen. Sei mal der einzige Vegetarier in einer Großschlachterei, du wirst da auch gehen müssen...
Und als er den Abstand hatte war er Magnet und wurde wiederum daran gehindert so zu leben, wie er es wollte... Zum verzweifeln.

Lags vielleidht daran, dass er der einzige war?
jep hab das buch auch gelesen
auf englisch
ich fand es ein bisschen "crazy"
Zitat:
Sei mal der einzige Vegetarier in einer Großschlachterei, du wirst da auch gehen müssen...

Das hängt wohl von der Toleranzfähigkeit der Schlachter, aber ich weiss was du meinst Augenzwinkern
hmh es ist tatsächlich ein Teufelskreis. Eine Gruppe "Wilder" hätte es wohl nur schlimmer gemacht. Wie gesagt der Wilde ist wie eine Bombe, bei vielen wird es schon katastrophal (mit vielen meine ich so um 20 Menschen, also deutlich kleiner als die Gesellschaft) weil sie "verbotenes" Verhalten an den Tag zeigen. Der WAR wusste, dass der Wilde kein Sicherheitsrisiko darstellt in seinem fanatischem Wahn, und doch war er unvorsichtig. Das er so gestorben ist ergibt sich zwangsläufig
Schade ich hätte gehofft es gäbe noch eine andere Möglichkeit. Wenn man das Problem nämlich abstrahiert ergibt das, das menschliche, stabile Gesellschaften dazu neigen Dinge, die nicht in ihrer Wahrnehmung liegen ausmerzen oder dran zugrunde gehen...
Klingt zum fürchten, oder?
jess, du hast es erfasst^^
Deswegen ist die Demokratie zwar lange nicht das Beste was die Menschheit hat, aber sie ist das was sie am Besten verträgt. In der Demokratie kann sich jeder einen Platz finden, und auf Toleranz hoffen. Wenn du viele Farben in einen Eimer kippst und ordentlich durchmischst sieht das ganze Homogen aus, wenn auch wahrscheinlich wie scheisse, wenn du aber eine Tapete mit einem Fleck drauf hast sieht das noch schlimmer aus.=)
Eine Stabile Gesellschaft ist eine beschränkte Gesellschaft.
Tja, genau diese Theorie hat Huxley genommen und bis ins letzte zu Ende geführt (die Beschränkung und damit die Stabilität).

Aber mi gefällt das ergebnis nicht, also bin ich nicht bereit diese These einfach so hinzunehmen.

Ich will auch andere stabile Gesellschaften!
die wollen wir alle=)
wie gesagt, in zwei Tausend Jahren hat die Menschheit nichts stabileres als eine Monarchie hevorgebracht, und das auch nur solange der Monarch kein Vollidiot war. MEINE Meinung wäre es eine KI als obersten Führer der menschheit zu bestimmen, aber seit Asimov gefällt mir jener Gedanke auch nicht.
Zitat:
Original von bishop
aber seit Asimov gefällt mir jener Gedanke auch nicht.

Lies mal "Colligatarch" Dann bist du von der Idee restlos geheilt...
wobei mir "Deus Ex" schonwieder eine Hoffnung gibt, zumindest die beste, die ich sehe Augenzwinkern
Dann musst du zum Abschluss noch "Das Fiasko" von Lem lesen, dann is nix mehr mit Hoffnung. Aber ein saugeiles Buch!

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